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Ausgabe 010

Behindert oder verhindert?

Leserbrief von Ingo Weikinnes, Blau-Wahl e.V., Sulingen

In Sulingen gibt es die WID Werkstatt für Industrie und Dienstleistung. Eine Tochter der Delme-Werkstätten GmbH. Eine Behindertenwerkstatt für psychisch kranke Menschen. Außerdem gibt es diese Einrichtung noch in Syke und Delmenhorst. Sie besteht seit etwa 5 Jahren mit ca. 40 Arbeitsplätzen. Die WID ist ein Reha-Einrichtung oder will eine sein. Leider hat sie es in dieser Zeit nicht geschafft, einen oder eine behinderte MitarbeiterIn auf den 1. oder 2. Arbeitsmarkt zu vermitteln.

Sie nennt sich eine Reha-Einrichtung, weil sie von dem erwirtschafteten Ertrag der MitarbeiterInnen in die Rentenkasse einzahlt. Einen Betrag, als würden die behinderten MitarbeiterInnen 3.600 DM verdienen. Würde dies die WID nicht tun, bekäme sie nicht die Anerkennung als Reha-Einrichtung.

So spielen alle mit. Das Arbeitsamt, das Sozialamt, die LVA und die BfA. Sie zahlen als Kostenträger im Arbeitstrainingsbereich und später für jeden Behinderten monatlich 2.017 DM an die WID, die davon natürlich auch ihre hauptamtlichen MitarbeiterInnen bezahlen kann. Die Behinderten sind potentielle Heimbewohner. Sie werden von der eingezahlten Rente nicht viel haben.

Frau A. ist vielleicht Sozialhilfeempfängerin, psychisch krank und arbeitet 37 Stunden in der Woche in der WID. Sie bekommt dafür, wenn sie „gut“ ist, nach einem halben Jahr, etwa 320 DM Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Das macht ca. 148 Stunden im Monat. Gleich 2,16 DM Arbeitsstundenlohn. Im ersten halben Jahr, im Arbeitstrainingsbereich bekommt Frau A. lediglich ein Mittagessen. Das Mittagessen zahlt der Landkreis Diepholz.

Je nach Zugehörigkeit zur WID und bei unverminderter Arbeitsleistung bekäme sie einen gestaffelten Lohn bis 630 DM. Den erreicht zur Zeit niemand in der WID Sulingen.

Frau A. kann es passieren, und es passiert ihr, dass ihr das Sozialamt von ihrem „Gehalt“ noch einen Betrag abzieht, oder das Weihnachtsgeld kürzt.

Herr B. hat es da schon besser. Er ist vielleicht als psychisch krank frühverrentet. Er darf seinen ganzen „Verdienst“ behalten.

Herr C. allerdings ist am ärmsten dran. Er ist Heimbewohner und zugleich Sozialhilfeempfänger. Als solcher bekommt er ein Taschengeld und nun bekommt er einen kleinen zusätzlichen Betrag von seinem „Arbeitslohn“. Natürlich nicht in voller Höhe!

Frau D. war früher einmal Beamtin. Nun bekommt sie eine Pension, die wesentlich höher ist als der errechnete Sozialhilfesatz. Frau D. muß nun von ihrer Pension etwas dazubezahlen, damit sie in der WID ihren Tag strukturieren darf. So ergibt sich eine komplizierte Rechnung zwischen Pension, Lohn und Zuzahlung.

Im sogenannten Fachausschuss werden diese „Fälle“ beraten, befürwortet und schließlich genehmigt. Dort setzen VertreterInnen der Kostenträger, ein Amtsarzt und SozialarbeiterInnen. Nur kein Betroffenenvertreter! Über den Behindertenbeauftragten des Landes Niedersachsen erfahren wir: „Eine Stellungnahme des Betroffenen vor dem Fachausschuss ist durchaus zulässig, wenn Betroffene darauf bestehen“. Nur welcher Betroffene weiß das schon... .

Ingo Weikiness



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