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Ausgabe 008

Bewegte Zeiten: 25 Jahre Kommunales Kino Hannover.

Von Susanne Höbermann

Wenn am 15. Oktober diesen Jahres das Kommunale Kino im Künstlerhaus sein 25jähriges Jubiläum feiert, erinnern wir uns nicht nur an bewegte Bilder, die wir hier und sonst nirgendwo in Hannover zu sehen bekamen. Es sind vor allem auch bewegte Zeiten, auf die das „KoKi“ zurückblickt. Von Anfang an musste es wie wohl keine andere kulturelle Institution dieser Stadt um seine Existenz kämpfen. So erscheint es fast als ein Wunder, dass wir dem KoKi nun zu einem Vierteljahrhundert engagierter filmkultureller Arbeit in Hannover gratulieren können.

Hannoversche Filmfreundinnen und -freunde mussten auf vieles verzichten, bevor ihre Stadtväter im Frühjahr 1974 beschlossen, sich ein Kommunales Kino zu leisten. Sigurd Hermes, der mit 25 Jahren Leiter dieser Einrichtung wurde und mittlerweile sein halbes Leben für das KoKi tätig ist, erinnert sich, dass „Hannover und Niedersachsen damals filmkulturell eine absolute Diaspora“ waren. Orientiert am Vorbild anderer kurz zuvor gegründeter Kommunalen Kinos, wie etwa dem in Frankfurt/Main, wollte man nun auch hier „andere Filme anders zeigen“. Film sollte jenseits von kommerziellen Interessen im Kommunalen Kino endlich ein Forum finden.

Auf dem Programm des KoKi stand und steht auch noch heute das gesamte Spektrum der Filmkultur. Nach wie vor wesentlich ist zum einen die Aufarbeitung der Filmgeschichte z.B. in thematischen Zyklen, in Retrospektiven und Werkschauen, die ihren Persönlichkeiten oder Epochen gewidmet sind. Zum anderen will das KoKi offen für Neues und Sperriges sein, z.B. als Forum für noch unbekannte Regisseure, unentdeckte Filmländer oder innovative Filmformen.

Konservativen Parteipolitikern war diese Auffassung von kommunaler Filmarbeit in Hannover jedoch schwer vermittelbar. Bereits 1975, ein Vierteljahr nach der Eröffnung des Kommunalen Kinos, betrachtete die CDU-Ratsfraktion die Einrichtung als überflüssig und stellte erstmals und dann alle Jahre wieder den Schließungsantrag. 1982 wäre dieser Wunsch angesichts leerer Stadtkassen beinahe in Erfüllung gegangen. Nur massive Proteste der Bevölkerung und die Reduzierung des Zuschussbedarfs um 45% konnten das KoKi retten.

Der Mitarbeiterstab musste auf 3 ½ Stellen reduziert und das Mietverhältnis am Raschplatz gekündigt werden. Das KoKi zog in den stadteigenen „Rambergsaal“ des Künstlerhauses um, wo es seit Februar 1983 seine erste eigene Spielstelle betreibt. Der Saal wird allerdings auch regelmäßig für Theaterveranstaltungen genutzt. Die Leinwand ist deshalb nicht fest installiert und muss vor jedem Bühnenevent per Handbetrieb unter die Decke gekurbelt werden. Auch die 200 Holzklappsitze (seit 1990 immerhin leicht gepolstert) fühlen sich eher nach Kindertheater- als nach Kinobestuhlung an. Doch trotz dieser immer noch etwas improvisierten Umstände konnte das KoKi im Künstlerhaus erstmals ein eigenes Image entwickeln und sich als eine der renommiertesten filmkulturellen Einrichtungen der Bundesrepublik etablieren.

Doch auch ein ambitioniertes Programm und ein im Vergleich zu anderen Städten recht schmales Budget konnten nicht verhindern, dass sich Sigurd Hermes in der Folgezeit regelmäßig mit Spar- und Privatisierungsplänen konfrontiert sah. 1992 drohte dem KoKi erneut das endgültige Aus, als selbst SPD-Politiker, die das Kino einstmals auf den Weg brachten, sich gegen das „Luxusprojekt“ aussprachen. Ihre Schließungsabsichten stießen jedoch zur Überraschung der Stadtväter auf eine breite Gegenwehr. In der „Kulturoffensive 92“ kämpften alle kulturellen Institutionen Hannovers für den Erhalt des Kinos. Täglich trafen Solidaritätsadressen aus der ganzen Republik ein. Ein Retter in der Not war jetzt Hans-Joachim Flebbe, der mit großzügigsten Spenden half, den Kinobetrieb weiterzuführen. Auch die Firma Bahlsen, die Stadtsparkasse Hannover, das Land Niedersachsen und das Publikum, das seitdem mit höheren Eintrittspreisen und einem Werbeblock vor den Filmen leben muss, sorgten wesentlich für das Überleben des KoKi.

Da die städtischen Zuschüsse seitdem nur noch etwas über ein Drittel des Kinos finanzieren, wurde die zentrale Spielstelle des KoKi 1993 in „Kino im Künstlerhaus“ umbenannt. Der Etat des Kinos liegt mittlerweile bei knapp 800.000 DM. Etwas über 300.000 DM zahlt die Stadt Hannover, rund 200.000 DM werden durch Eintrittsgelder eingenommen, die restlichen 300.000 DM von Dritten finanziert. Nach anfänglichen Berührungsängsten mit privaten Geldgebern und einigen Bauchschmerzen, was das Thema „Werbung“ vor den Filmen angeht, ist der einstige Purist Sigurd Hermes mittlerweile stolz darauf, dem KoKi diese Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet zu haben. Der Kinobetrieb wird durch steigende Filmmieten, Transport- und Personalkosten von Jahr zu Jahr teurer. Gleichzeitig sinkt die Chance, Filmkultur durch öffentliche Mittel zu finanzieren. Das Einwerben von Drittmitteln gewinnt daher immer größere Bedeutung und nimmt neben der Konzeption des Programms einen Großteil der Arbeitskraft des KoKi-Leiters in Anspruch.

„Alles zeigen wir Ihnen nicht, aber vieles, was Sie sonst nicht sehen könnten.“ Die Devise von Sigurd Hermes bestimmt nach wie vor das Programm. In den letzten 25 Jahren hat das KoKi über 10.000 Filme präsentiert, von denen rund 80% Erstaufführungen waren. „Das heißt, wir haben in diesen 25 Jahren 8.000 Filme dem hannoverschen Publikum vorgestellt, wo wir davon ausgehen können und auch das Publikum davon ausgehen kann, dass sie die Filme sonst hätten nie sehen können.“

Höhepunkt und Schwerpunkt des Programms der letzten 25 Jahre ist das europäische Kino, federführend das französische, z.B. mit großen Retrospektiven der Filme Jean Renoirs oder François Truffauts. Für dieses Engagement ist Sigurd Hermes 1994 zum „Ritter des Ordens für Kunst und Literatur“ der französischen Ehrenlegion ernannt worden.

In den letzten Jahren wird zudem der Blick auf noch unbekannte Filmländer immer wichtiger. Seit März 1997 läuft mit dem Expo-Projekt „Weltkino“ das längste Festival, das die KoKi-Besucher je gesehen haben. Alle Teilnehmerstaaten der Weltausstellung sollen hier filmisch vorgestellt werden: Bisher wurden über 70 Filmländer rund um den Globus präsentiert. „Ob Asien, Afrika oder Lateinamerika, überall gibt es Entwicklungen,“ so Hermes, „die wir, aus irgendeiner überheblichen Position heraus, diesen Ländern gar nicht zugetraut haben.“

So unterschiedlich wie das Programm sind auch die KoKi-Zuschauer. Für Hermes ist es „witzig zu beobachten, dass sich das Publikum von einem Monat zum anderen mitunter ganz austauscht“. Das KoKi hat zwar eine große Zahl treuer Stammgäste, aber kein Laufpublikum. Seine Besucher wählen gezielt Filme aus und kommen zum Teil aus ganz Niedersachsen, um sie zu sehen. Mit durchschnittlich 47 Gästen pro Veranstaltung liegt Hannover im oberen Fünftel im Vergleich zu größeren Städten wie Hamburg, München oder Berlin.

Die vielfältigen Interessen des Publikums spiegeln sich auch in einem Programm mit dem Titel „25 Jahre KoKi“, das im Oktober beginnt und bis Weihnachten laufen wird. Hier werden 25 Filme aus den letzten zehn Jahren gezeigt, die den meisten Publikumszuspruch hatten. Das Spektrum reicht vom klassischen Repertoire wie METROPOLIS oder STALKER bis hin zu Debütfilmen ganz junger Regisseure.

Zum Jubiläum am 15. Oktober wird aus Kostengründen eine kombinierte Party gefeiert. Sigurd Hermes Filmlieblingsland Frankreich eröffnet im Rahmen des „Weltkino“-Projekts, und anschließend wird, gesponsort vom Institut Français, auf 25 Jahre KoKi angestoßen. Auch in Zukunft gibt es Anlass zum Feiern. Voraussichtlich ab November wird das Künstlerhaus umgebaut, und mit Hilfe von Sponsoren hofft das KoKi, die Finanzierung für eine bequeme Kinobestuhlung zu sichern. Zur Einweihung des verspäteten Geburtstagsgeschenks soll im Mai 2000 eine riesengroße Party steigen.

Aus Platzgründen können wir leider keine Filme des KoKi Hannover vorstellen. Das ausführliche Programm erhaltet ihr beim Kommunalen Kino, Sophienstr. 2 in 30159 Hannover, Tel. 0511-168-44732 oder im Internet unter http://www.nananet.de/koki

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